Kastration

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Kastration beim Hund – ein Allheilsmittel?

Kastration ist das Thema unter Hundehaltern. Auch ich werde immer mal wieder gefragt, wann ich meinen Kalle kastrieren lasse. Oder Kunden fragen mich als Hundetrainerin um Rat, wann denn der richtige Zeitpunkt sei, um ihren ungestümen Junghund endlich zu entmannen. Was mich daran schockt? Dass offensichtlich immer noch die Meinung vorherrscht, dass (vor allem) Rüden kastriert gehören, die Frage ist da nicht ob und warum, sondern wann. Weiterhin wird davon ausgegangen, dass durch die Entnahme der Geschlechtsorgane aus jedem Rüden ein ruhiger Zeitgenosse wird, der nun für den Rest seines hodenlosen Lebens sowohl mit Rüden als auch Hündinnen immer gut zurechtkommt. What?!

Es gibt gute Gründe für eine Kastration, stimmt! Aber ob die vorliegen, sollte gründlich untersucht werden. Hier ist es gar nicht verkehrt, einen erfahrenen Hundemenschen – zum Beispiel einen Trainer oder Tierarzt – um Rat zu fragen.Was sind gute Gründe die für eine Kastration sprechen? Ist die Kastration eine Patentlösung für eine Verhaltensänderung beim Hund? Gehen wir der Sache auf den Grund. Morgen geht’s weiter! Seid ihr dabei?

PS: Habt ihr Fragen? Gerne nehme ich die in die folgenden Beiträge zum Thema Kastration beim Hund auf.

Und wann lässt du deinen Hund kastrieren?

Das werde ich nicht selten gefragt. Auf meine Antwort (Gar nicht!) folgt manchmal die für den Gesprächspartner offensichtlich logische nächste Frage danach, ob ich also züchten möchte. Auch dieses verneine ich. Spätestens dann werden die Augen groß. Der Höhepunkt meiner Erfahrung war:

Unterwegs im Hundewald wurde ich angeschrien, dass ich meinen Hund doch gefälligst kastrieren lassen müsste. Der Auslöser? Kalle zeigte Interesse an einer läufigen Hündin. Das schien als Grund zu reichen.

Sicher, es gibt gute (medizinische) Gründe wie u.a. eine Prostatavergrößerung oder Tumore, eine Kastration in Betracht zu ziehen.

Auch echte Hypersexualität kann sich durch eine Kastration bessern oder sogar ganz verschwinden. Aber nur, wenn es sich wirklich um ein hypersexuelles Verhalten handelt, der Hund also so sehr leidet, dass das Tierwohl gefährdet ist.Bitte beachte dabei, dass sexuelles Verhalten in der Pubertät NORMAL ist!Der eine oder andere kann sich vielleicht noch an seine Pubertät erinnern.Wir waren dann ja auch nicht gleich sexsüchtig, konnten uns doch aber wenig auf Schule und Eltern konzentrieren ;-)

In vielen Fällen ist die Kastration also nicht die Lösung der Probleme! Sie sollte immer eine Einzelfallentscheidung sein.

Gegenseitige Rücksichtnahme kann schon immens viel bewirken: eine läufige Hündin sollte nicht unbedingt in einer Hundeauslaufzone spazierengeführt werden und als Rüdenbesitzer ist es meine Pflicht dafür zu sorgen, dass mein Hundekerl keine (läufige) Hundelady belästigt. Im Zweifel kommt der Junge eben an die Leine. Eigentlich ganz einfach.

Wisst ihr eigentlich, welche (ungewünschten) Folgen eine Kastration nach sich ziehen kann? Diese und die Antworten auf eure Fragen folgen morgen.

Mögliche Folgen einer Kastration:

  • Verstärkung einer Jagdmotivation

  • Negative Auswirkung auf das Stresshormon Cortisol

  • Mineralstoffwechselstörungen (bei Hündinnen)

  • Muskelabbau (beim Rüden)

  • Knochenveränderungen (bei Hündinnen)

  • Bindegewebsschwäche (bei Rüden)

Klingt ganz schön heftig? Ist es auch! Eine Kastration ist ein chirurgischer Eingriff, der es in sich hat. Und nochmal: er ersetzt keine Erziehung, Bindung und Vertrauen! Bitte überlegt euch ganz genau, warum eine Kastration für euch in Frage kommt und besprecht die Gründe und das echte Vorliegen dieser mit Fachleuten. Zieht ggf. eine chemische Kastration in Betracht, die ist nicht endgültig, zeigt aber in Bezug auf verändertes Verhalten eine Tendenz.

Eure Fragen:

Sind Verhaltensauffälligkeiten wie Aggression bei Rüden oder Hündinnen mit einer Kastration zu beheben?

Nein, pauschal kann man das nicht sagen, denn oft liegen diese Problematiken am falschen oder fehlenden Training, fehlender Sozialisierung, falscher Körpersprache oder bestimmten Krankheitsbildern. Zudem kann es auch eine Angstaggression sein, die sich durch eine Kastration noch verschlimmern würde, da der Hormonhaushalt keinen natürlichen Lauf mehr hat.


Können Hunde zu früh kastriert werden?

Klares Ja! Ich sehe im Alltag viele Hunde, die früh kastriert wurden und dadurch eine Unterversorgung haben, dazu völlig ungehemmt sind und trotz erwachsenen Alters ein unreifes, unsicheres, unruhiges und unkontrolliertes Verhalten zeigen.

Senkt eine Kastration das Krebsrisiko?

Nein. Studien zeigen, dass das Risiko für Brustkrebs bei Hündinnen zwar geringfügig sinken kann. Kastrierte Tiere erkranken aber häufiger an Lymph- oder Milzkrebs.

Fazit

Ihr seht: die Kastration ist ein sehr umfangreiches Thema zu dem es viele Studien, Ansichten und Meinungen gibt. Wichtig ist: Es sollte niemals vorbeugend kastriert werden. Kastration sollte erst dann thematisiert werden, wenn echte Probleme vorliegen. Gerade bei Verhaltensauffälligkeiten sollte der erste Gang zu einem guten Hundetrainer sein, um auszuschließen (oder um festzustellen ;-) ), dass es sich um Verhalten handelt, dass mit konsequenten Training beheben lässt.

Ihr habt noch Fragen oder Anmerkungen? Ich freue mich über eure Nachrichten.

Eure Jess