FLEXILEINE VS. SCHLEPPLEINE

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Die Auswahl an Hundeleinen ist geradezu endlos. Neben unterschiedlichen Materialien, Längen und Farben ist insbesondere die Wahl des richtigen Leinentyps entscheidend. Hier möchte ich Euch heute zwei Ausführungen vorstellen, die für viele Hundebesitzer vor allem eines bedeuten: Die größtmögliche Freiheit für Hund (und Halter) – trotz Leine!

DIE FLEXILEINE

Die Flexi- oder Rolleine soll dem Vierbeiner Bewegungsfreiheit geben und verspricht dem Halter ein besonderes Maß an Bequemlichkeit und Komfort. Der Hundeführer hält ein Griffgehäuse in der Hand, in dem eine federbelastete Spule das Leinenband automatisch aufwickelt. Mithilfe eines Bremsknopfs lässt sich das Ausziehen der Leine stoppen und die Leine auf einen bestimmten Radius feststellen. Praktisch…oder?

Ganz ehrlich? Ich persönlich halte nicht viel von Rollleinen und das hat verschiedene Gründe.

Nachteile der Flexileine

1. Erhöhte Verletzungs- und Unfallgefahr

Egal ob Schnur oder Band: Durch Flexileinen können üble Verletzungen entstehen, sowohl beim Hund als auch beim Halter. Startet der Hund plötzlich so richtig durch, drohen durch den schnellen Zug Verbrennungen oder Schnitte. Vom schnellen Griff in das Band der Leine ist deshalb dringend abzuraten. Auch Dritte können Euch beim Spaziergang an der Rollleine ungewollt „ins Netz gehen“. Insbesondere bei sehr agilen Hunden wickelt sich die Ausziehleine gern mal um die Beine des Menschen oder Hundes, den der Vierbeiner freudig begrüßt, wodurch es schlimmstenfalls sogar zu Sehnendurchtrennungen kommen kann. Für Radfahrer, Jogger oder Spaziergänger stellt die Flexileine außerdem eine Stolper- und Sturzfalle dar. Zugegeben, das kann auch bei anderen Leinen der Fall sein, aber die Rollleine ist vergleichsweise schlecht zu sehen. Und noch ein Punkt ist zu beachten. Die Ausziehleine funktioniert durch permanenten Zug des Hundes, wodurch es vor allem in Kombination mit einem Halsband zu Verletzungen an der (Hals)Wirbelsäule des Tieres kommen kann. Greift Ihr also zur Flexileine, sollte diese ausschließlich an einem Hundegeschirr angebracht werden!

2. Fehlende Kontrolle

Vor allem im Notfall kann mit einer Flexileine nicht rechtzeitig reagiert werden, da die direkte Einwirkung auf den Hund kaum möglich ist.

3. Fehlender Halt

Euer Hund springt gern mal in die Leine oder neigt insgesamt zu Leinenaggressionen? Dann ist die Rollleine eine schlechte Wahl. Aber auch in einem Moment der Unachtsamkeit oder bei einem abrupten Zug des Hundes kann Euch der Haltegriff schnell aus der Hand rutschen. Die Flexileine saust dann wie ein Geschoss auf den Vierbeiner zu, was viele Hunde in Panik versetzt. Sie rennen davon und versuchen den unheimlichen „Verfolger“ abzuschütteln, was natürlich nicht gelingt. Vor allem bei ängstlichen Hunden würde ich deshalb stets von einer Flexileine abraten, auch weil bereits das ständige Einrasten der Rolle und das damit verbundene Geräusch ein echter Stressfaktor für sensible Vierbeiner sein kann.

4. Permanenter Zug

An der Ausziehleine lernt der Hund vor allem eins: Wenn ich irgendwo hinmöchte, muss ich ziehen. Denn die Flexileine funktioniert nun mal durch permanenten Zug. Vor allem bei jungen oder unerfahrenen Hunden führt dies zu ungewollten Verhaltensweisen, die eine gute Leinenführigkeit häufig unnötig verkomplizieren. Muss Euer Hund also erst noch lernen, entspannt an der lockeren Leine zu laufen, solltet Ihr auf den Einsatz von Flexileinen erstmal komplett verzichten.

5. Stress

Nicht nur der ständige Zug an der Flexileine kann durch die permanente Anspannung für den Hund zum Stressfaktor werden. Hinzu kommt, dass das Tier nie weiß, wie viel Meter Radius er wann ausnutzen kann und wann der Stopper betätigt wird.

Vorteile der Flexileine

Natürlich ist die Flexileine nicht grundsätzlich zu verteufeln. Die Liste der Vorteile fällt aus meiner Sicht allerdings recht kurz aus. Der für mich wichtigste Punkt: Rolleinen können eine gute Wahl sein, um alten, erblindeten oder kranken Hunden ein kleines Stück Freiheit und einen entspannten Spaziergang zu ermöglichen. Aus meinen Gesprächen mit Hundehaltern weiß ich aber, dass für viele von ihnen häufig vor allem ein Vorteil überwiegt – die vermeintlich bequeme und einfache Handhabung. Außerdem schleift die Flexileine aufgrund des ständigen Zugs nicht auf dem Boden und verdreckt deshalb, anders als beispielsweise die Schleppleine um die es gleich noch gehen wird, nicht so leicht.

DIE SCHLEPPLEINE

Kurz gesagt handelt es sich bei der Schleppleine um eine lange Leine. Häufig besteht dieser Leinentyp aus Nylon, Leder oder dem High-Tech-Gewebe Biothane. Anders als meist angenommen, bezieht sich der Begriff nicht darauf, dass der Hund die Leine beim Spaziergang hinter sich herschleppt, sondern nimmt Bezug auf die Schleppjagd. Bei richtiger Handhabung wird die Leine am Brustgeschirr angebracht und in Bewegung gehalten, indem der Halter je nach Bedarf mehr Leine dazu gibt oder wegnimmt. Das bedeutet im Vergleich mit der Rollleine natürlich erstmal mehr Aufwand und braucht etwas Übung bis die nötigen Handgriffe richtig sitzen. Bei mir kommt die Schleppleine täglich zum Einsatz, unter anderem auf meinen Runden mit den vierbeinigen SEADOGS-Kunden. Warum ich so gerne zur Schleppleine greife? Das werde ich Euch gleich anhand einiger Punkte erklären. Aber erst kommen wir zu den, meiner Meinung nach, wenigen Nachteilen, die dieser Leinentyp mit sich bringt.

Nachteile der Schleppleine

1. Übung erforderlich

Wie ich bereits angesprochen habe, muss das Handling der Schleppleine erstmal geübt werden, bevor ein stressfreier Spaziergang mit ihr möglich ist. Das ist aber nicht so kompliziert, wie es sich nun vielleicht anhört. Bei Fragen könnt Ihr Euch gern bei mir melden. Wichtig: Die Schleppleine ist ausschließlich in Kombination mit einem Brustgeschirr zu nutzen. Bei Anbringung am Halsband drohen bei einem starken Ruck schwere Verletzungen bis hin zum Genickbruch.

2. Leinenchaos

An der Schleppleine, die meist zwischen 5 und 20 Metern lang ist, hat der Hund einen großen Bewegungsradius. Ohne die nötige Übung wickelt sich die Leine leicht um den nächsten Laternenpfahl oder Baum, vor allem wenn der Vierbeiner im Zickzack-Modus unterwegs ist. Um dem Leinenchaos zu entgehen, solltet Ihr Eurem Hund die nötigen Verhaltensregeln und Signale für den Spaziergang an der Schleppleine beibringen. Das kann zum Beispiel so aussehen, dass der Vierbeiner trotz des großen Radius ausschließlich die vorhandenen Wege nutzt, was sich ohnehin empfiehlt, da der Hund beispielsweise im Wald trotz aller Freiheiten nichts im Unterholz verloren hat.

3. Dreckschleuder

Gerade beim Spaziergang auf dem Feldweg oder im Wald verdreckt die Schleppleine im Gegensatz zur Rollleine schnell. Allerdings kann diesem Problem mit der Wahl des richtigen Materials entgegengewirkt werden. Informiert Euch also vor dem Kauf über die verschiedenen Angebote. Leinen aus Biothane gelten als besonders leicht zu reinigen.

Vorteile der Schleppleine

1. Geringere Verletzungsgefahr und weniger Stress

Sitzt der korrekte Umgang mit der Schleppleine erstmal und wird diese wie vorgesehen am Brustgeschirr des Hundes befestigt, gehen mit der Schleppleine meiner Meinung nach deutlich weniger Verletzungsrisiken einher als es bei der Flexileine der Fall ist. Das hängt natürlich auch wesentlich vom jeweiligen Modell und Material ab. Da bei der Schleppleine nicht mit Leinendruck gearbeitet wird, kann sich der Hundekörper entspannen und auch die Wirbelsäule des Vierbeiners wird geschont.

2. Sicherung und Kontrolle des Hundes

Anders als die Flexileine ermöglicht die Schleppleine eine bessere Kontaktaufnahme zum Hund und kann mit dem richtigen Handling als Bindeglied zwischen dem Vierbeiner und seinem Halter fungieren. Deshalb kommt sie häufig auch bei der Beziehungsarbeit zum Einsatz. Der Vierbeiner lernt, sich an seinem Halter zu orientieren und Kontakt zu ihm zu suchen.

3. (Kontrollierte) Bewegungsfreiheit bei (meist) gleichbleibendem Radius

Beim Schleppleinentraining lernt der Hund, sich im Radius der Leine zu bewegen, ohne dabei zu zerren. Klar, auch bei der Schleppleine hat er mal mehr, mal weniger Spielraum. Hier kommen wir wieder zur richtigen Handhabung. Wird die Schleppleine korrekt angewendet, verändert sich der Radius des Hundes weit weniger stark als es bei der Flexileine der Fall ist. Außerdem wird die Bewegungsfreiheit des Vierbeiners stärker durch den Hundehalter kontrolliert, da, anders als an der Rollleine, der Zug nach vorn nicht automatisch mehr Freiraum bedeutet. Klare Regeln beim Spaziergang an der Schleppleine reduzieren hier den Stress für Zwei- und Vierbeiner deutlich.

4. Optimales Trainingsmittel

Die Schleppleine bietet zahlreiche Möglichkeiten für das Hundetraining und dient als Hilfsmittel, um unerwünschte Verhaltensweisen des Vierbeiners zu verhindern. Ihr solltet jedoch erst zur Schleppleine greifen, wenn Euer Hund das 1 x 1 der Leinführigkeit beherrscht und er seine Impulse soweit kontrollieren kann, dass er nicht mit Vollgas in das Leinenende prescht. Dann kann das Training an der Schleppleine losgehen. Sie eignet sich unter anderem fürs Üben des Rückrufs, eines Stop-Signals, von Hundebegegnungen oder das Anti-Jagd-Training.

Ihr habt noch Fragen oder Anmerkungen? Ich freue mich über eure Nachrichten.

Eure Jess