Stimmungübertragung

Stimmungs-übertragung

Eine unterschätzte Komponente des erfolgreichen Hundetrainings in der Mensch-Hund-Kommunikation

Die Stimmungsübertragung, also die Energie, die ihr als Hundeführer ausstrahlt, wird bisher nur selten thematisiert. Die Stimmungsübertragung ist ein ganz natürliches Verhalten des Hundes und deshalb für die Arbeit mit euren Vierbeinern so wichtig. Die Übertragung von Stimmungen ist für das Hunderudel von großer Bedeutung. Droht beispielsweise Gefahr und wird diese durch ein Rudelmitglied angezeigt, dann aber von den anderen Hunden ignoriert, kann das geradezu lebensgefährlich werden. Geht das Rudel hingegen auf die Stimmung ein und reagiert entsprechend, beispielsweise durch Flucht, sichert dies das Rudel ab. Die Stimmungsübertragung ist folglich eine wichtige Komponente in der Sprache der Hunde. In der Trainingspraxis wird dieses natürliche Verhalten jedoch häufig ignoriert, dabei können wir es uns zu Nutzen machen.

Ein Phänomen, das mir oft begegnet, ist beispielsweise, dass Leinenaggressionen bei mir im Training scheinbar plötzlich nicht mehr auftreten. Außerdem beobachte ich häufig, dass Hunde, die Probleme mit ihren Artgenossen haben, auf dem Hundeplatz extrem entspannt mit anderen Hunden agieren oder auch der Rückruf in wildreichen Gebieten während des Trainings hervorragend klappt. Aber woran liegt das? Tatsächlich ist es so, dass die Hundehalter in der Trainingssituation meist deutlich entspannter sind als in ihrem Alltag. Die Anwesenheit des Hundetrainers gibt ihnen die nötige Sicherheit und steigert das eigene Selbstbewusstsein, dessen Bedeutung im Umgang mit Hunden nicht zu unterschätzen ist. Und genau da kommen wir zum Punkt: Wenn ihr eurem Hund Sicherheit und eine gute Energie vermittelt, kommt ihr gemeinsam deutlich entspannter durch den Alltag: Sei es der Rückruf, das Passieren anderer Hunde, die Angst an Silvester oder auch der Besuch beim Tierarzt. Euer Hund braucht in diesen Situationen kein Mitleid, sondern einen Menschen, auf den er sich verlassen kann und der die nötige Sicherheit vermittelt. Deshalb sind sowohl klare Regeln als auch die Vermittlung einer entspannten Stimmung extrem wichtig. Sobald ihr dies verinnerlicht habt und erfolgreich umsetzen könnt, wird euch das in vielen Trainingsbereichen weiterhelfen.

Ich möchte euch deshalb ein paar konkrete Tipps mit an die Hand geben, die natürlich Übung benötigen, euch dann aber künftig den Alltag vereinfachen werden. Nehmt euch also bewusst Zeit dafür, die folgenden Tools in euer Training zu integrieren.

 

1.  Atmung

Der ein oder andere kennt es vielleicht aus der Meditation: Die Selbstregulation über die Atmung. Achtet im Umgang mit euren Hunden ganz bewusst auf eure Atmung. Atmet beispielsweise vor Beginn des Spaziergangs oder in stressigen Situationen mehrmals tief ein und aus. Dies führt zur Entspannung des Körpers, die Bauchmuskeln lockern sich und die Anspannung verringert sich merklich, was auch eure Hunde wahrnehmen werden.

 

2.  Imagination

Unsere Vorstellungskraft ist ein wichtiges Tool im Bereich der Stimmungsübertragung. Ihr entdeckt in der Ferne einen Hund und malt euch bereits aus, dass es gleich Stress geben wird? Dann wird auch genau das passieren. Lenkt also eure Gedanken ganz bewusst und erschafft in eurem Kopf ein positives Bild: Stellt euch beispielsweise vor einer Hundebegegnung einen entspannten Hund vor, der den anderen Vierbeiner ohne Probleme passieren wird.

 

3. Orientierung an Vorbildern

Gibt es in eurem Leben vielleicht eine Person, die ihr bewundert und von der ihr euch gerne eine Scheibe abschneiden würdet? Ich denke dabei an Menschen, die eine natürliche Souveränität ausstrahlen, mich mit ihrer Art und ihrem Wesen beeindrucken und denen ich absolut vertraue. Versucht mal, euch in diese Person hineinzuversetzen und überlegt, wie dieser Mensch in der jeweiligen Situation agieren und mit welcher Energie er auftreten würde und handelt dementsprechend.

 

4. Musik

Musik kann unsere Stimmung immens beeinflussen und auch dies können wir im Training für uns nutzen. Überlegt doch mal, welche Songs euch positiv stimmen und/oder entspannen lassen. Setzt euch Kopfhörer auf und startet mit der Musik auf den Ohren in euren Spaziergang bzw. eure Trainingseinheit. Dies hat auch den positiven Effekt, dass ihr euch weit weniger auf die Umwelt einlasst, beispielsweise auf die ängstliche oder negative Energie anderer Hundehalter. Ich denke, dem ein oder anderen kann die richtige Musik in Sachen Stimmungsübertragung definitiv helfen.

5. Routine im Umgang mit den Tools entwickeln

Wie bereits erläutert, muss der Einsatz dieser Tools natürlich individuell getestet und anschließend regelmäßig geübt werden. Was für den einen Hundehalter gut funktioniert, beispielsweise der Einsatz von Musik, kann für andere wiederum weniger zielführend sein. Probiert die verschiedenen Tipps also gerne mal aus und schaut, womit ihr gut fahrt. Wichtig ist es, dass ihr dranbleibt und eine Routine schafft, die euch und schließlich auch euren Hunden Sicherheit vermittelt. Wir Menschen müssen ganz bewusst lernen, entspannter mit Situationen umzugehen, um unseren Hunden authentisch vermitteln zu können, dass ihnen an unserer Seite nichts passieren kann und wir die Verantwortung tragen.

Ihr habt noch Fragen oder Anmerkungen? Ich freue mich über eure Nachrichten.

Eure Jess